…es ist 05:30 h und um mich herum stehen neben einer älteren Dame aus meiner Gruppe

so etwa an die 150 – 200 kamerabewehrte Japaner auf der Brücke. Alle gemeinsam starren wir gebannt in die Höhe.

Wie meine Begleitung und ich sind auch die freundlichen Wuselmänner und -frauen aus dem Reich der aufgehenden Sonne hierhin gekommen, um einem ganz besonderen Naturschauspiel beizuwohnen – natürlich nicht, ohne es auf die Chipkarten zu brennen.

Es ist der fünfte Tag in unserem Gastland und was wir bisher an Blumenwiesen, Matten, Bächen, Wasserfällen, imposanten Bergriesen und geradezu kitschig-malerischen Städtchen, Dörfchen und Flecken gesehen haben, ist in der kurzen Zeit fast gar nicht zu verarbeiten.

Heute früh aber geben wir’s uns richtig – 5:15 h brrrrrr.

Nicht umsonst stehen hier auf unsere Gruppe bezogen nur „zwei aus neununddreißig“!

Aber es ist nicht etwa „Fuji-san“, der ehrwürdige und den Japanern heilige Berg Fujiyama, der alle Anwesenden so früh aus den Federn gelockt hat, auch wenn der Bevölkerungsquerschnitt auf unserer Brücke das nahelegt. Der Bergriese, der da im allerersten Morgenrot „glüht“, hat einen wesentlich erdigeren Namen, und wer schon mal in eine Toblerone gebissen hat, hat sich die Zähne an seinem Genussmittel gewordenen Ebenbild verbogen…

Sie haben es längst erraten, wir stehen in Zermatt und die Rede ist natürlich vom Matterhorn. Es erstrahlt mittlerweile in den ersten, noch rötlichen Sonnenstrahlen. Und ja, die nur knapp gewonnene Schlacht gegen die Bettkante, die noch im Halbschlaf-Modus verharrenden Augen und der noch etwas unrunde Gang auf dem Spazierweg hierher auf die Brücke haben sich gelohnt. Und gleich am Frühstückstisch machen wir dem Rest der Gruppe die Zähne lang – die digitale Photographie macht’s möglich!

Es ist dies aber nur ein Höhepunkt der Bahnreise durch die Schweiz mit dem Glacier- und Bernina-Express. In Wahrheit sind es zahlreiche eindrucksvolle Wegmarken, die in solch einer Woche an den Panoramafenstern der genannten Eisenbahnen an den Reisenden vorbeiziehen oder die man auf kurzen Exkursionen im Rahmen dieser Reise erreichen kann:

Die verwundene Streckenführung von Bernina und Glacier am Albulafluß mit ihren Wende- und Spiraltunneln sind ein wahres Wunderwerk der Technik und es dürfte wenige Beispiele für solch einen Einklang von Technik und Natur geben, wie diese im 19. Jh. begonnenen Bahnanlagen.

Die „Diavolezza“ mit ihrem einmaligen Blick über das Bernina-Massiv und den dazugehörigen Morteratsch-Gletscher – ein erhabenes Erlebnis.

Die Strecke von Pontresina nach Tirano über eine Passhöhe von annähernd 2300 Metern, dann über eine Serpentinenstrecke hinab ins Tal von Poschiavo; dem Begriff von der „Himmelsleiter“ wird niemand ernsthaft widersprechen.

Die Schlucht des vorderen Rheins zwischen Tamins und Ilanz verdreht einem komplett den Kopf: so schnell kann man gar nicht hin- und herschauen, wie der Zug an der Vielzahl in Jahrtausenden ausgewaschener, bizarrer Steinformationen und Monolithe vorüberfährt.

Der Oberalp-Pass bei Andermatt, das Goms (Tal der oberen Rhone) vom Furka bis nach Visp und schließlich das spektakuläre, tiefe Tal der Matter-Visp, von wo aus man alsbald die ersten 4000er erblickt, runden die Tagesfahrt mit dem Glacier-Express ab. Auf dem Weg gibt’s ein leckeres Mittagessen und allein die Akrobatik der Kellner und Kellnerinnen beim Service im munter hin und her pendelnden Waggon hat eigenen Erlebniswert.

Der 3.100 m hohe Gornergrat über Zermatt mit seinem unvergleichlichen Blick über eine Vielzahl von Bergriesen und Massive

im 4000-Meter Segment.

Kaum eine Reise bietet so viele spektakuläre Panoramen und Facetten wie das Bernina-

und Glacier-Paket ! Völlig zu Recht wurden diese einzigartigen Bahnstrecken in das Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen.

Verpassen Sie’s nicht !

Heiner Lang 11.08.2011

Bahnreise durch die Schweiz

Impressionen vor Ort